August Wilhelm von Hofmann

„Mit Metallen haben wir den Vorzug in Europa, und sind die metallischen Künste bei uns aufs höchste gestiegen. Wir haben zuerst Eisen in Stahl verwandelt, Kupfer in Messing; wir haben das Eisen zu überzinnen erfunden und viel andere nützliche Wissenschaften entdeckt, also daß unsre Künstler in der edlen Chemie und Bergwerkssachen der ganzen Welt Lehrmeister worden. Wir haben reiche Salzquellen und unvergleichliche Sauerbrunnen, welche unter einem annämlichen Schmack mehr als eine ganze Apotheke führen und der Natur wunderlich zu statten kommen.“ (Gottfried Wilhelm Leibniz)

Einer jener Großmeister der Stoffkunde ist unser August Wilhelm von Hofmann. Er entdeckte zahlreiche Farbstoffe, gründete die deutsche Gesellschaft für Stoffkunde und erfand das Formaldehyd. In unserer hessischen Stadt Gießen erblickte er 1818 das Licht der Welt. Sein Vater Philipp war Baumeister und errichtete – als Fingerzeig der Nornen – das neue Versuchsgebäude für unseren Stoffkundler Justus von Liebig. Dessen Schüler wurde unser August Wilhelm von Hofmann und erhielt 1841 die Doktorwürde. An der Bonner Hochschule legte er 1845 seine Universitätslehrbefugnis ab. Bis 1865 lebte und wirkte unser Naturforscher in England, wohin ihn der Prinz Albert eingeladen hatten. Dann ging er nach Berlin, um an der dortigen Friedrich Wilhelms Hochschule zu forschen und zu lehren. Sein häusliches Glück fand unser Naturforscher 1846 mit Helene Moldenhauer, 1856 mit der Engländerin Rosamund Wilson, 1866 mit Elise Moldenhauer und zuletzt 1873 mit Berta Tiemann. Der Grund dafür war die Mißgunst der Nornen, die seine ersten drei Frauen nach nur wenigen Jahren Ehe sterben ließen. Vergönnt haben sie unserem August Wilhelm von Hofmann elf Kinder. Seine Forschungen kann man in 250 Fachaufsätzen nachlesen. Dazu gibt es noch die Bücher „Einleitung in die moderne Chemie“, „Die organische Chemie und die Heilmittellehre“, „Chemische Erinnerungen aus der Berliner Vergangenheit“ und „Zur Erinnerung an vorangegangene Freunde“ von unserem August Wilhelm von Hofmann zu lesen und zu kaufen. Wie gewohnt ehren wir Panzertiere unseren Naturforscher mit dem Vortrag aus seinen Schriften, vielen schönen Bildern, altdeutschen Liedern und Tondichtungen und schlürfen dazu unser Panzergetränk Met… Carl Philipp Bachs Berliner Symphonien habe ich mir für unseren August Wilhelm von Hofmann zum Wiegenfest ausgesucht: https://www.youtube.com/watch?v=_6kLbD3L8ZQ Von den neuen chemischen Heilmitteln berichtet euch unser Naturforscher dazu in seiner epischen Rede „Die organische Chemie und die Heilmittellehre“ ein wenig: https://archive.org/details/dieorganischech00hofmgoog

„Bahnbrechend in der neuen Richtung sind zumal die Arbeiten von Sertürner in der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts. Die Untersuchung des unter dem Namen Opium bekannten Milchsaftes verschiedener Papaveraceen führt ihn zur Entdeckung des Morphins, dem sich später eine Gruppe ähnlicher Opiumkörper anschließt, unter denen das von Robiquet aufgefundene Codein zu nennen ist. Nicht minder wichtig sind die Ergebnisse, welche die Erforschung der Rubiaceen und Strychnaceen liefert. Pelletier und Caventou entdecken in der Chinarinde das Chinin und das Cinchonin, in den Früchten von Strychnos nux vomica das Strychnin, anderer minder wichtiger Pflanzenbasen nicht zu gedenken. Statt des komplexen Opiums, in dem sich nicht selten mehr als ein halbes Dutzend verschiedener Pflanzenbasen, teilweise von ganz entgegengesetzter Wirkung, zusammenfindet, statt der als Pulver oder in Form von Tinkturen verwerteten Chinarinde, statt der Tinktur oder des Extrakts der Brechnuß, in einem Wort statt mechanischer Mischungen, welche alle wie in Zusammensetzung so in ihren physiologischen Eigenschaften große Abweichungen zeigen, stehen dem Arzte jetzt Morphin und Codein mit ihren schönkristallisierenden Salzen, stehen ihm Chinin und Cinchonin, stehen ihm endlich Strychnin und seine Salze zur Verfügung, alle chemische Verbindungen, deren konstante Wirkung, eben weil man es mit scharf definierten Individuen zu tun hat, nicht bezweifelt werden kann. In ähnlicher Weise darf er jetzt, nachdem ihm der Chemiker aus der Digitalis purpurea und aus den verschiedenen Artemisia – Arten die wirksamen Bestandteile abgeschieden, statt der Infusionen oder Extrakte dieser Pflanzen das von seinen Beimengungen befreite Digitalin oder das prachtvoll kristallisierende Santonin im Zustande vollendeter Reinheit zur Anwendung bringen. Von nicht geringerem Werte im Interesse der Heilmittellehre erweist sich die chemische Untersuchung der Baldrianwurzel (Valeriana officinalis). Es zeigt sich, daß die Wirksamkeit derselben auf ihrem Gehalt an zwei wesentlich von einander verschiedenen Bestandteilen, dem Baldrianöle und der Baldriansäure, beruht. Wenn diese Bestandteile, und zumal die Baldriansäure zunächst vorwaltend die Aufmerksamkeit des Chemikers beanspruchen, so ist es andrerseits dem Arzte unbenommen, entweder den einen oder den andern derselben für seine Zwecke zu verwerten. Auch dem Aufguss von Kaffee und Tee lässt sich jetzt das von Runge entdeckte Kaffein (Thein) substituieren, und handelt es sich schließlich um die Anwendung der Galläpfeltinktur, so steht es dem Arzte frei statt ihrer die chemisch reine Gerbsäure zu wählen. Allein die analytischen Untersuchungen der organischen Chemie beschränken sich nicht auf die bereits als heilkräftig anerkannten Substanzen; kein Kraut, keine Blüte, keine Frucht, in welchen nicht nach ähnlichen wirksamen Prinzipien geforscht wird. Die Chemiker entdecken in dem weißen Nieswurz (Veratrum album) das Veratrin, in der Tollkirsche (Atropa Belladonna) das Atropin, und die merkwürdigen physiologischen Eigenschaften dieser beiden Verbindungen, die nervenschmerztilgende, antifebrile Wirkung des Veratrins, die pupillenerweitende Kraft des Atropins werden alsbald von den Ärzten in glücklichster Weise ausgenutzt. Aber schon hat die Forschung auf dem Gebiete der organischen Chemie eine neue Form angenommen. Schon begnügt man sich nicht mehr die einzelnen Teile des Pflanzen- und Tierkörpers mit den verschiedenen Lösungsmitteln, mit Wasser, Alkohol und Äther, mit verdünnten Säuren und Alkalien zu erschöpfen, um die näheren Bestandteile der in Frage stehenden Körper zu ermitteln. Die kräftigsten Agentien, über welche der Chemiker verfügt, wassergierige Substanzen, wie Schwefelsäure und Phosphorsäure, Oxydationsmittel in allen nur denkbaren Abstufungen, von der rauchenden Salpetersäure, der Chromsäure, dem Braunstein und Bleisuperoxyd bis zu dem elektrolytisch entwickelten oder durch Platinschwarz aktivierten Sauerstoffe herab,-Chlor, Brom, Jod, ebenso Ammoniak gasförmig oder in Lösung, endlich die Hydrate der Alkalimetalle in konzentrierter Lösung und selbst feuerflüssig, alle müssen sich den Zwecken des Forschers bequemen. Auch sind es nicht mehr ausschließlich die in dem Organismus des Tiers oder der Pflanze fertig gebildeten Prinzipien, welche auf diesem Wege zur Untersuchung gelangen. In Gegenwart so mächtiger Zersetzungsmittel haben die ursprünglich vorhandenen Bestandteile mehr oder minder tiefgehende Veränderungen erlitten, es sind die Umbildungs-, die Zersetzungsproducte der Bestandteile der Pflanzen- und der Tierstoffe, welche der Chemiker in Händen hat. Und hier erschließt sich eine Quelle ungeahnten Reichtums für die Forschung. Unter dem Einflusse verschiedener Agentien sehen wir denselben organischen Körper die verschiedensten Metamorphosen erleiden, und selbst Dauer der Einwirkung, Konzentration und Temperatur können die Produkte, welche durch dasselbe Agens hervorgebracht werden, in mannichfaltigster Weise modifizieren. Mehr noch, diese zahlreichen Zersetzungsprodukte der Bestandteile des Tier- und Pflanzenorganismus, nochmals mit den verschiedenen chemischen Agentien behandelt, erleiden von Neuem Veränderungen, bis endlich in absteigender Linie die einfachsten Verbindungen oder selbst die Elemente erreicht werden. Mit dieser neuen Forschungsweise hat das Gebiet der organischen Chemie plötzlich einen Umfang gewonnen, daß die Chemie der Mineralkörper für eine Zeit vollkommen in den Hintergrund tritt. Aber mit der Erweiterung des Feldes hat sich auch die Zahl der Arbeiter vermehrt, aus deren fleißigen Händen in kürzester Frist die unübersehbaren Schätze des Tatsächlichen hervorgehen, über welche die organische Chemie im Augenblicke gebietet. Allerdings etwas wüst und verworren zum Öfteren liegen sie Anfangs da, diese Schätze; die mühevoll Erntenden oder die glücklichen Finder wissen oft selber nicht, was sie mit ihrem Reichtum beginnen sollen. Aber schon strebt der ordnende Geist das angehäufte Material zu bewältigen, suchend und sichtend, wertvolles von wertlosem scheidend, gleiches mit gleichem gesellend; nur erst jetzt, nachdem Klarheit an die Stelle der Verwirrung getreten ist, haftet das staunende Auge mit Bewunderung an der schmucken Bildung des Einzelnen, überschaut es mit Entzücken die große und reiche Gliederung des Ganzen. Aber gestatten Sie mir, meine Herren, dass ich Ihnen im Besonderen einige der Vorteile ins Gedächtnis zurückrufe, welche der Heilmittellehre, wie früher aus der Analyse der Pflanzen- und Tiersubstanzen, so jetzt aus dem Studium der Metamorphose organischer Körper zuflossen. Für eine ganze Reihe von Verbindungen, welche man früher nur mühsam in spärlicher Menge und oft kaum hinreichend rein aus gewissen von der Natur gebotenen, oft mehr oder minder schwierig zugänglichen Stoffen gewinnen musste, ergeben sich jetzt, bei der Untersuchung der Umbildungen organischer Körper, neue Darstellungsmethoden, mittelst deren sich die betreffenden Verbindungen leicht, vollkommen rein, in reichlicher Menge und zu billigstem Preise beschaffen lassen. Einige der hier zu nennenden Umgestaltungen gehören zu den anziehendensten Episoden in der Entwicklungsgeschichte der organischen Chemie…“

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