Meister Eckhart

Unendlich viel hat uns Deutsche das Christentum gekostet. Denn wäre es nicht über uns gekommen, so hätte unsere Dichterin Roswitha von Gandersheim statt christlicher Heiligen-Stücke Trauerspiele über unsere altdeutschen Götter und Helden geschrieben. Ganz so wie es im alten Griechenland die Tragiker taten. Ebenso hätte unser Meister Eckhart seine Mysterien auf Grundlage der Edda erstellt. Doch wollen wir zum einen Schaden nicht noch einen zweiten hinzufügen und uns die Werke unserer Ahnen nicht vom Christentum verleiden lassen. Dieses macht hier sein übles Tun vielfach durch seine Marotten zunichte. Die Christen dürfen nämlich den Namen ihres Gottes nicht aussprechen. Daher können wir Heiden uns hier leicht unsere altdeutschen Götter am Werk denken. Gottvater kann schließlich auch unseren Göttervater Wodan meinen. In diesem Sinne wollen wir auch unserem Meister Eckhart, anläßlich seines Heimganges im Jahre 1328, gedenken. Zumal dieser gegen Ende seines Schaffens der Ketzerei beschuldigt worden und damit umso mehr unser – im Sinne Schillers – ist. Geboren wurde unser Meister Eckhart um 1260 bei Gotha und Meister wird er genannt, weil er 1302 zum Meister der Gotteslehre ernannt worden ist. Haydns Schöpfung soll beim Heimgang unseres Meister Eckhards erklingen: https://www.youtube.com/watch?v=8BQ2szN8Tkw Eine Stelle aus der Predigt „Vom Unwissen“ habe ich mir von unserem Meister Eckhart ausgesucht und wüßte man es nicht, so käme man nicht auf den Gedanken, daß hier vom Christengott die Rede ist: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten,+Traktate,+Spr%C3%BCche/Predigten/2.+Vom+Unwissen

„Hier erhebt sich eine Frage. Da Gott Vater allein im Wesen und im Grund der Seele gebiert und nicht in den Kräften, was geht es die Kräfte an? Was soll ihr Dienst hier, dass sie sich herbemühen und feiern helfen sollen! Wozu ist das not, da in den Kräften nichts geschieht? Das ist gut gefragt. Aber beachte die folgende Unterscheidung. Eine jede Kreatur wirkt ihr Werk um eines Zweckes willen. Der Zweck ist jederzeit das erste in der Meinung und das letzte im Werke. Daher beabsichtigt Gott mit allen seinen Werken einen seelischen Zweck, das heißt: sich selbst, und will die Seele mit all ihren Kräften zu ihrem Zweck führen, das heißt: zu Gott selbst. Darum wirkt Gott all seine Werke, darum gebiert der Vater seinen Sohn in der Seele, dass alle Kräfte der Seele zu ihrem Zwecke kommen. Er trachtet nach allem was in der Seele ist, und ladet es alles zur Bewirtung und zu Hofe. Nun hat sich aber die Seele mit den Kräften nach außen zerteilt und zerstreut, jede in ihr Werk: die Sehkraft in das Auge, die Kraft des Gehörs in das Ohr, die Kraft des Schmeckens in die Zunge, und daher sind ihre Werke um so weniger im stände inwendig zu wirken: denn jede zerteilte Kraft ist unvollkommen. Darum muss sie, wenn sie inwendig kräftig wirken will, alle ihre Kräfte wieder heimrufen und sie von allen zerteilten Dingen zu einem inwendigen Wirken sammeln. Sankt Augustin sagt: Die Seele ist mehr, wo sie liebt als wo sie dem Leib Leben gibt. Ein Gleichnis: Es war einmal ein heidnischer Meister, der hatte sich der Rechenkunst zugewandt, und saß vor Stäben und zählte sie und ging seiner Wissenschaft nach. Da kam einer und zog sein Schwert (er wusste nicht, dass es der Meister war) und sprach: „Sprich schnell, wie du heißest, oder ich töte dich.“ Der Meister war so sehr in sich gekehrt, dass er den Feind nicht sah noch hörte, noch merken konnte, was er wollte. Und als der Feind lange und viel gerufen hatte und der Meister immer noch nicht sprach, da schlug ihm jener den Kopf ab. Dies war um eine natürliche Kunst zu gewinnen. Wie ungleich mehr sollten wir uns allen Dingen entziehen, und alle unsere Kräfte sammeln, um die einige, grenzenlose, ungeschaffene ewige Wahrheit zu schauen und zu erkennen! Hierzu sammle alle deine Vernunft und all dein Nachdenken: kehre das in die Tiefe, worinnen dieser Schatz verborgen liegt. Wisse, wenn dies geschehen soll, musst du allen anderen Werken entfallen und musst in ein Unwissen kommen, wenn du dies finden willst. Es erhebt sich wieder eine Frage. Wäre es nicht angemessener, dass eine jede Kraft ihr eigenes Werk behielte, und dass keine die andre an ihren Werken hindre, und dass sie auch Gott nicht an seinen Werken hindre? In mir kann eine Art kreatürliches Wissen sein, das nichts hindert, wie Gott alle Dinge ohne Hindernis weiß, wie es bei den Seligen der Fall ist. Nun achtet auf den folgenden Unterschied. Die Seligen sehen in Gott ein Bild, und in dem Bild erkennen sie alle Dinge, ja Gott selbst sieht überhaupt nur in sich und erkennt in sich alle Dinge. Er braucht sich nicht von einem zum andern zu wenden, wie wir es müssen. Wäre es so bestellt in diesem Leben, dass wir allezeit einen Spiegel vor uns hätten, in dem wir in einem Augenblick alle Dinge in einem Bilde sähen und erkennten, so wäre uns Wirken und Wissen kein Hindernis. Da wir uns nun aber von einem zum andern wenden müssen, darum können wir uns nicht bei dem einen aufhalten ohne Hinderung des andern. Denn die Seele ist so ganz verbunden mit den Kräften, dass sie mit ihnen überall hinfließt, wo sie hinfließen, denn bei all den Werken, die sie wirken, muss die Seele dabei sein und zwar mit Aufmerksamkeit, sie vermöchten sonst mit all ihrem Wirken ganz und gar nichts. Fließt sie also mit ihrer Aufmerksamkeit äußerlichen Werken zu, so muss sie notwendigerweise um so schwächer bei ihrem inneren Werke sein, denn zu dieser Geburt will und muss Gott eine ledige, unbekümmerte, freie Seele haben, in der nichts sein darf als er allein, und die auf nichts und auf niemanden warten darf als auf ihn allein…“

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